KICKERS Magazin 12 - page 56-57

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56 | Presseclipping
Paparazzi
Viel Geld, nochmehr Herz
Würzburger Kickers sinddas Anti-RB Leipzig
26.05.2015,22:47Uhr | t-online.de
VonThomasTamberg
DerNordenBayerns istnichtgeradebekanntfürgroßenFußball.Dochdassoll
jetztanderswerden.Wennam27.und31.MaidieAufstiegsspielederRegionalliga
anstehen,dannkämpfenauchdieWürzburgerKickersumeinEinzug indie3.Liga,
dabeistandderKlubvoreinpaarJahrennochvoreinemScherbenhaufen.Die
Unterfrankenmessensichmitdem1.FCSaarbrücken. IndenDuellenMagdeburg
gegenKickersOffenbachundWerderBremen IIgegenBorussiaMönchengladbach
IIwerdendiebeidenanderenAufsteigerermittelt.DerSprungvonderViertklassig-
keit indenProfibereich isteinGangdurchdasgrößteNadelöhr imdeutschenFuß-
ball.Aus88Klubs,aufgeteiltauffünfLigen,ermittelndie jeweiligenMeistersowie
derSüdwest-Tabellenzweite inzweiK.o-SpielengeradeeinmaldreiAufsteiger.Wer
einenschlechtenTagerwischt,kannsichschnelleineganzeSaisonversauen.
Zwischendurchbis indiesiebteLigadurchgereicht
Dass inWürzburgnunvomWundergeträumtwirdunddieKickerskurzvor ihremgrößten
Triumph inder jüngerenVereinsgeschichtestehen,daranwarvoreinpaarJahrennichtzu
denken.Sportlich indiesiebteLigaabgestiegen,derBezirksligaUnterfrankenMitte.Dazu
hochverschuldet, fristeteder1907gegründeteKlubeinDaseinwieeinganznormaler
Dorfverein.Wäredanichtdas1967erbaute "StadionamDallenberg"ZeugeundMahnmal
zugleicheiner längstvergangenenErfolgsära.
LängstvergessendieZeitenderersten20JahredeszurückliegendenJahrhunderts,als
hiermalSpitzenfußballgespieltwurdeundauchdieSaison1977/78alsderVerein für
eineSaison lang inder2.Bundesligagespielthatte.AußerhalbderStadtgrenzenweißdas
kaumnoch jemand.2003amTiefpunktangekommenverfolgteneineHandvollZuschau-
erdieSpiele immittlerweile rund11.000Zuschauer fassendenStadion.DenWürzburgern
ereiltedasgleicheSchicksalwievielenanderenTraditionsklubs.AlsderFußballanfingzu
boomenundGeldsamtAufmerksamkeit immermehrwurden,verpasstendieFranken
denAnschluss.Sieversankensukzessive inderBedeutungslosigkeit.AufdereinenSeite
sinddieKickerseingroßerTraditionsverein,aufderanderenSeitesindsieschonso lange
wegvomFenster,dassmansich fragt:Wokommendiedenplötzlichher?
Flyeralarm-Gründerengagiertsichnichtnurfinanziell
DassderVereinkurzdavor ist,wiederaufDeutschlandsFußball-Landkarteaufzutauchen,
hatvielmitThorstenFischerzu tun.SeitsechsJahrenengagiertsichder40-Jährigebeiden
Kickers.Ersteinbisschen,seit rundeinemJahrso richtig.Fischerhat2002dieOnline-Dru-
ckereiFlyeralarmgegründet.AuseinemEin-MannBetriebbauteer indenvergangenen
JahreneinRiesenunternehmenaufmit rund2000MitarbeiternundStandorten inhalb
Europa.DerJahresumsatzbeträgt rund300MillionenEuro.Fischer,dem2006derbayeri-
scheGründerpreisverliehenwurde,hateinFaible fürSport.ErunterstütztmitseinerFirma
FlyeralarmdieBasketballerdesFCBayernMünchen,dieFrauen-Nationalmannschaft, ist
DruckpartnerdesRekordmeistersebensowievonBorussiaDortmund.Kürzlich isterbei
denfinanziellklammenWürzburgerProfi-Basketballerneingestiegen.Fischer istheimat-
verbunden.SeineFirmahat ihrenHauptsitz inWürzburg.Angesichtsseinerkomfortablen
finanziellenSituation isterbemerkenswertbescheidengeblieben.EineProfilneurose,die
insolchenKreisengernemalzubeobachten ist,suchtmanhiervergebens.
Gelderdosierteingesetzt
Dennoch,sokönntemansagen, isteskeinWunder,dassderortsansässigeKlubnunan
dieTürzumProfifußballklopft.MitdenEurosdeserfolgreichenUnternehmers istdas ja
auchkeinegroßeKunst.Wächsthier,nochetwasunterdemRadarderbreitenFußballöf-
fentlichkeit,dasnächsteKunstprojektMarkeRBLeipzigheran?Vielleichthätteesdem
österreichischenKonzernganzgutgetan,zuschauenwiesiees inWürzburganstellen.
Manhätteetwas lernenkönnen. Inder130.000EinwohnerstarkenunterfränkischenStadt
wirdbeispielhaftvorgeführt,wiemaneineganzeRegion insFußball-Fieberversetzen
kann,ohnedabeigleichmitWahnsinnssummenzuoperieren.Obwohlmaneskönnte.
VielmehrwerdendieGelderdosierteinsetzt.Dabei istmanbesondersbemüht,das
Umfeldmit insBootzunehmen.
EinbisschenwiebeimComputer-Managerspiel
WährendbeiRBLeipzigderMenschaustauschbargeworden istundsichallesnurumdie
MarkeRedBulldreht,verfolgtFischer inWürzburgeinganzanderesZiel.AucherwillErfolg
-aberanders.Produktwerbungstehtnicht imVordergrund.DiekönnteFischerwoanders
besserplatzieren.DerzurückhaltendeMacherhatFreudeamGestalten.SeinLohn istdie
FreudederWürzburgerandenKickers,die längsteingemeinsamesProjektgeworden
sind.EinbisschenerinnertdasGanzeandieComputer-Fußballmanagerspielenur inecht
eben.Dieehrliche,kindlicheBegeisterung ist jedenfallsdiegleiche–mindestens.
GlücksgriffHollerbach
ZusammenmitKlub-PräsidentDr.MichaelSchlagbauerhatFischervoranderthalbJahren
dasProjekt "3x3" insLebengerufen.AlsprominentesKampagnen-Gesichtkonntendie
beidendabeiBerndHollerbachgewinnen,dersobegeistertwar,dasseranschließend
dasTraineramtübernahmundsichzumVaterdessportlichenErfolgsherauskristallisieren
sollte.DerEx-ProfidesFCSt.PauliundHamburgerSVhatseineerstenGehversucheals
BambiniebenbeidenWürzburgerKickersabsolviert. "Er ist inderRegionverwurzelt.Ohne
ihngäbeesdiesesProjektnicht.Bernd istderDreh-undAngelpunkt",beschreibtFischer
gegenüber t-online.dedieBedeutungHollerbachs,derdamalsnacherfolgreichenJahren
anderSeitevonFelixMagathwiederLustaufeinenCheftrainerpostenverspürteundsich
dann fürdieKickersund fürseineHeimatentscheidenhat.
AuchandereSponsoren insBootgeholt
DasTrioFischer,Schlagbauer,HollerbachstarteteeineKampagne,um innerhalbvon
dreiJahrendenAufstieg indenProfifußballzubewerkstelligen.Dafürsollte jeweilsein
Jahresetatvon rund1,2MillionenEurozusammengestelltwerden.Sponsoren,Fans,
Politikerwarenaufgerufensichzuengagieren.NurwenndieSignaleentsprechendpositiv
ausfallenwürden,wolltesichauchFischerfinanziellentsprechendengagieren. "Wenn
duetwasNachhaltigesschaffenmöchtest,gehtesnurgemeinschaftlich.Wenndueinen
Retortenklubaufbaust,dervoneinemSponsorabhängig istoderbeidemdieStadtund
dieRegionnichtmitmachen,wirstdunieErfolghaben",sagtFischer.MitSchlagbauerund
HollerbachanseinerSeite istes ihm inkürzesterZeit tatsächlichgelungen,allehinterdem
Vorhabenzuvereinen. "Auch inderMitgliederversammlunggabesnullEnthaltungenund
nullGegenstimmen.DasProjektwirdvonallengetragen."VieleSponsorendürftensich
aberauchdeshalbengagierthaben,weilsiebereitszumNetzwerkFischersgehörtenund
wussten,dassderFlyeralarm-ChefbeieinemEngpassseineigenesEngagementnoch
einmalerhöhenwürde.EinesolcheAusgangslageerleichterteiniges.
Düsseldorf imPokalausgeschaltet
Wiedasaussehenkann,zeigtedasBeispiel inderzweitenRundedesDFB-Pokals.Nach-
demmanFortunaDüsseldorfausdemCupgekegelthatte,solltedieZweitrundenbegeg-
nunggegenEintrachtBraunschweigunterFlutlichtstattfinden.Docheinsolchesgabes
nicht imstädtischenStadion,dasmittlerweile„flyeralarmArena“heißt.EinpaarWochen
später,dieStadthatausZeitgründeneinpaarAnträge imEilverfahrendurchgewunken,
standendieMasten.OffiziellhatderVereindieAnlagebezahlt, inoffizielldürfteesFischer
gewesensein.
Interessewächstundwächstundwächst
DochFischerstelltauchganzbewusstklar,dasallesseineGrenzenhat.Nichtweilergeizig
ist,sondernweilesdasProjektgefährdenkönnte. "WennmanmitzuvielGeldagiert,dann
istdieGefahrgroß,dassmansichmitMenschenumgibt,dieeinenausnutzenwollen,weil
sienurdasschnelleGeldverdienenmöchtenundnichtmitHerzblutbeiderSachesind.
DannentstehteineungesundeKulturdesMiteinanderarbeitens.Das istkontraproduktiv
undsoetwasmöchte ichbeidenKickersnichthaben."MitderSponsoren-Politikdes
FordernsundFörderns istFischerbisdatobestensgefahren.MitHilfevon Infoständenauf
demMarktplatz,vielenGesprächenundvorallem jederMengeLeidenschaft istesden
Verantwortlichen innichteinmaleinemJahrgelungen,eineechteBegeisterung inder
Stadtzuwecken.DerZuschauerschnitt liegtderzeitbei rund2.500.Tendenzdramatisch
steigend.VoreinemJahr lagernochbeietwa500.DieSpiele imDFB-Pokalwarenmit
11.200Zuschauernausverkauft.DasAufstiegsduellgegenden1.FCSaarbrückenwirdes
ebensosein.
MitaussortiertenSpielernzumErfolg
Eigentlichhattemansich jaeinenDreijahresplanzurechtgelegt.DochHollerbachhatbe-
reits imerstenJahrganzeArbeitgeleistetunddarfnunvomgroßenWurf träumen.Erhat
14neueSpielergeholt,diesichmeisthöherklassignichtdurchsetzenkonnten,abernoch
etwasbeweisenwollten.HollerbachstellteaufeinenprofessionellenTrainingsbetriebum.
MitetwasGlückundvielGeschick formteereineMannschaft,dievon34Spielenbeiacht
RemisnurzweiPartienverlor.BereitszweiSpieltagevorSchlussstandendieWürzburger -
nochvordemFCBayern II -alsMeister fest.Jetzt fehltalsonurnocheinSchrittzur3.Liga.
AberselbstwennesdiesesMalnichtklappensollte,hatman lautProjektplanungnoch
zweiAnläufegut.UndselbstbeidreimaligemScheiternmussdanachnichtSchlusssein.
Schließlich isteseinProjektvonÜberzeugungstäternausderRegion fürdieMenschen
ausderRegion.Fischer: "WenndieEuphorieweiterda ist,dieZuschauerzahlenstimmen
unddieSponsorennochdaranglauben,dann istes realistisch,dasswiresweiterführen
werden."
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