Medina Desic: Aus Wertheim-Eichel in die montenegrinische Nationalmannschaft

22.01.2021 / 17:56 Uhr

Eine wahre Achterbahnfahrt hat Medina Desic hinter sich. Mehrmals schien ihr Weg eigentlich schon zu Ende, doch die gebürtige Montenegrinerin arbeitete hart und stieg letztlich nicht nur mit den Damen des FC Würzburger Kickers in die 2. Bundesliga auf, sondern streifte vergangenes Jahr auch erstmals das Trikot ihres Heimatlandes über – und plötzlich stand sie den ganz Großen ihrer Zunft gegenüber.

 

Bereits seit dem fünften Lebensjahr kickte die gebürtige Erlenbacherin bis zur C-Jugend bei den Jungs für den SV Dertingen. Mit zwölf Jahren wurde sie zum Sichtungslehrgang in die Sportschule Schöneck für die U13 eingeladen und hätte dorthin wechseln können. „Ich spiele Fußball, seit ich denken kann. Es macht mir unheimlich Spaß. Aber damals wollte ich noch nicht weg von zu Hause. Das war keine Option und ich habe einen Cut gemacht“, erinnert sich die Angreiferin, die aus einer fußballverrückten Familie stammt. Ihre Brüder Zajo und Medin Desic waren selbst höherklassig aktiv. Zajo spielte bei den Würzburger Kickers und ist heute Spielertrainer beim SC Schollbrunn. Medin kickt ebenfalls in der Kreisklasse 4 Würzburg für die SG Urspringen/Karbach.

 

Krise beim ETSV, Höhenflug am Heuchelhof

 

2009 kehrte die Tochter montenegrinischer Eltern, die schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben, auf die Fußballbühne zurück und wechselte zum FC Wertheim-Eichel, wo sie vier Jahre spielte und bis in die Oberliga aufstieg. Ab der Saison 2013/14 schnürte sie die Kickschuhe für den ETSV Würzburg. Die Damen des blauen Adlers spielten damals in der zweiten Liga und Desic gehörte fortan zum Stamm. Doch auch sie konnte den Sinkflug bis in die Bayernliga nicht stoppen. „Wir hatten eine sportliche Krise bedingt durch viele Trainerwechsel und viele Abgänge. Wir schafften es nicht, uns zu stabilisieren. Es lief komplett unrund“, blickt die Angreiferin ungern zurück auf die beiden Abstiegs-Spielzeiten.

 

Doch mit dem Wechsel des Teams an den Heuchelhof – der Sportclub übernahm die Mannschaft vom ETSV Würzburg und die Bayernliga-Lizenz – kam die Kehrtwende. „Dort passt alles. Der Trainer (Anm. d. Red.: Gernot Haubenthal) ist eine absolute Kanone. Die Trainingseinheiten sind der Hammer. Er stellt uns sehr gut auf die Spiele ein und es macht sehr viel Spaß“, schwärmt Desic vom erfahrenen Übungsleiter und vom Umfeld. Zudem harmoniere die Mannschaft sehr gut und sie selbst sei in der Form ihres Lebens. Nie zuvor waren ihre Leistungen so stabil wie aktuell und ihre Fitness dermaßen gut, findet die Angreiferin, die bereits zehn Treffer in dieser Spielzeit erzielt hat. „Es funktioniert einfach unglaublich gut. Ich hatte und habe aktuell einfach einen Lauf“, so die 27-Jährige, die damit zu den Top-Torjägerinnen der Liga gehört.

 

Erstes Länderspieltor

 

Im Verein läuft es für Desic blendend. Nach dem zweiten Aufstieg in Folge startet sie mit den Frauen der Würzburger Kickers im Oktober im deutschen Unterhaus. Für die gebürtige Erlenbacherin beginnt dann die vierte Saison in der 2. Bundesliga. Bereits in der Vergangenheit ging sie dort mit dem ETSV Würzburg auf Punktejagd. Auch die Karriere in der Nationalelf kommt dieses Jahr ordentlich ins Rollen.

 

Nachdem Medina Desic im Januar diesen Jahres ihr erstes Spiel im Dress der montenegrinischen Nationalmannschaft absolvierte, wurde sie im März zu einem Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft 2022 in England gegen Irland eingeladen. Am vergangenen Freitag stand sie gegen die Ukraine in der Startelf und erzielte prompt den Anschlusstreffer zum 1:2. Es war nicht nur ihr erstes Tor im Nationaltrikot: Zugleich war es das erste Tor der Montenegrinerinnen in der EM-Qualifikation überhaupt. "Das war schon ein tolles Gefühl, für mein Land zu treffen", freute sich die 27-Jährige.

 

Chance zum Ehrentreffer und eine große Ehre

 

Das persönliche Highlight des Trips in ihr Heimatland war allerdings das Spiel gegen die deutsche Nationalmannschaft am vergangenen Dienstag. Im Interview mit dfb.de sagte Desic bereits vor dem Spiel: "Wir treffen auf eines der stärksten Teams überhaupt. Das ist eine große Herausforderung und das wohl aufregendste Spiel meiner Karriere. Gegen das Land zu spielen, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, ist ein ganz großes Highlight." Die Vorfreude war also riesig. Das Spiel selber gewann die deutsche Nationalelf ohne große Mühe mit 3:0. Nach dem Spiel erzählt Medina Desic: "Wenn man mit einer Melanie Leupolz oder Dzsenifer Marozsán auf dem Platz steht, ist das eine große Ehre und ein Wahnsinns-Erlebnis. Das 0:3 war wie ein gefühlter Sieg. Wir hatten enormen Respekt vor der deutschen Mannschaft und haben extrem defensiv gespielt."

 

Fast hätte die Kickers-Angreiferin ihr Erlebnis im Gradski Stadion in Montenegros Hauptstadt Podgorica in der 76 Spielminute noch mit einem Tor gekrönt. "Ich war überrascht, als der Ball plötzlich vor mir lag und ich alleine vor der Torhüterin stand. In anderen Spielen hätte ich den wahrscheinlich gemacht", schmunzelt Desic.

 

Mit ihrem Heimatland gegen ihr Geburtsland

 

Der Sieg der Deutschen war allerdings nie gefährdet. Das Team um Desic ist glücklich, dass das Spiel nicht so eindeutig verlief wie das Hinspiel Ende letzten Jahres. Dort stand am Ende ein 10:0 auf der Anzeigetafel. Trotz der Niederlage und des verpassten Torerfolgs war es für Medina Desic ein absolutes Highlight in ihrer Karriere, von dem sie wohl noch lange erzählen wird. So musste sie das Erlebte erst einmal sacken lassen, berichtet Desic. Seit Mittwoch ist sie nun wieder zurück in Franken, wo die stolzen Eltern schon auf sie warteten: "Als ich nach Hause kam, habe ich mir das Spiel nochmals mit meiner Familie angeschaut und wir haben über die ereignisreichen letzten Tage gesprochen", berichtet Desic am Ende einer für sie unglaublichen Reise. 

 

Auch im Dezember ging die 27-Jährige wieder auf Reisen. Während sie gegen die Ukraine erneut in der EM-Qualifikation randurfte, ruhte in Deutschland bereits der Spielbetrieb. Nach einem Sieg aus zwei Spielen wurde die Liga unterbrochen. Die Corona-Pandemie machte eine Fortsetzung unmöglich. Ihre gute Laune lässt sich Desic, die auf den Re-Start brennt, jedoch nicht verderben. Schließlich liegt hinter ihr ein unglaublich aufregendes Jahr.

17. Spieltag: Kickers wollen in Paderborn zum vierten Mal in Folge ungeschlagen bleiben
22.01.2021
Leroy Kwadwo wechselt zu Drittligist Dynamo Dresden
18.01.2021
Wählt jetzt das Kickers-Tor des Jahres 2020!
18.01.2021